19. August 2024

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats lehnt den Status des nachhaltigen Unternehmens ab

Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hat beschlossen, bei der Schaffung eines Status für 'Nachhaltige Unternehmen' zu zögern, was Spaltungen innerhalb der Schweizer Wirtschaftskreise offenbart.


Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats hat beschlossen, der parlamentarischen Initiative 23.454 zur Schaffung eines rechtlichen Status für 'Nachhaltige Unternehmen' für Schweizer KMU nicht Folge zu leisten. Mit einer Mehrheit von 13 von 25 Mitgliedern zieht es die Kommission vor, die Ergebnisse eines Berichts des Bundesrats abzuwarten, bevor sie eine endgültige Entscheidung trifft.
 

Kontext und Herausforderungen

Diese Initiative, die von Nationalrätin Sophie Michaud Gigon eingebracht und von über 500 Unternehmen unterstützt wurde, schlug die Schaffung eines freiwilligen Rechtsstatus für Schweizer KMU vor, die sich nachhaltigen Praktiken verpflichten. Ziel war es, diesen Unternehmen zu ermöglichen, angesichts neuer europäischer Vorschriften zur Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Unternehmensführung wettbewerbsfähig zu bleiben, insbesondere der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) und der Richtlinie über die Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen (CSDDD).
 

Gemischte Reaktionen

Der Gewerbeverein hat seine  Enttäuschung über diese Entscheidung zum Ausdruck gebracht und alle Befürworter der Initiative bedauern dieses Zögern. Wir sind der Meinung, dass die Situation der KMU dringend ist und dass dies eine verpasste Gelegenheit ist, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer KMU zu stärken und ihre Anpassung an internationale Standards zu erleichtern.

Jonathan Normand, Sprecher der Allianz für Nachhaltige Unternehmen, zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass der künftige Bericht des Bundesrats die Notwendigkeit zum Handeln aufzeigen wird.

Patricia von Falkenstein, Nationalrätin FDP, betont ihrerseits die Bedeutung dieses Status für die Stärkung der Position der Schweizer KMU auf den internationalen Märkten und zur Erfüllung der wachsenden Erwartungen von Verbrauchern und Investoren.

Der Gewerbeverein wirft den konservativen Wirtschaftsverbänden, insbesondere Economiesuisse und dem Schweizerischen Gewerbeverband (SGV), vor, massiven Druck ausgeübt zu haben, um diese Initiative zum Scheitern zu bringen. Dabei wird die Dringlichkeit der Situation und die laufenden europäischen Entwicklungen ignoriert.
 

Eine Debatte, die die Spaltungen in der Schweizer Wirtschaft offenbart

Der Vorschlag eines Rechtsstatus "Nachhaltiges Unternehmen" hat tiefe Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Schweizer Wirtschaftskreise aufgezeigt. Auf der einen Seite plädiert die Allianz für Nachhaltige Unternehmen, unterstützt von etwa 500 Unternehmen und 75 Führungskräften, die einen offenen Brief unterzeichnet haben, für diesen neuen Rahmen. Auf der anderen Seite lehnen grosse Dachverbände wie Economiesuisse und der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) dies entschieden ab.

André Hoffmann, Vizepräsident von Roche und Befürworter der Initiative, betont: "Das Vertrauen au Initiative aus der Privatwirtschaft allein wird nicht ausreichen." Er ruft die grossen Dachverbände dazu auf, aktiv zur Schaffung eines günstigen Umfelds für Nachhaltigkeit beizutragen. In diesem Sinne plädiert auch Der Gewerbeverein für einen Mentalitätswandel, sowohl auf politischer Ebene als auch innerhalb der Wirtschaftsverbände. Wir betonen die Dringlichkeit, proaktive Lösungen zu entwickeln, um Schweizer KMU bei der Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit zu unterstützen.

Diese Debatte zeigt die Komplexität der Herausforderungen, denen sich Schweizer Unternehmen, insbesondere KMU, bei ihrer Anpassung an neue Nachhaltigkeitsanforderungen stellen müssen, während sie gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene bewahren.
 

Debatte zwischen den Arbeitgeberverbänden

Die Debatte zwischen Christophe Barman, Co-Präsident von Der Gewerbeverein, und Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) und Ständerat (Die Mitte/TI) kann in der Sendung 'Forum' des Westschweizer Radios RTS auf Französisch nachgehört werden:

"Faut-il affubler les PME d’un label de durabilité? Débat entre Fabio Regazzi et Christophe Barman" - RTS Forum (Link)
 

Nächste Schritte

Ungeachtet dieses temporären Rückschlags bleibt unser Engagement ungebrochen. Die Initiative wird im September im Plenum des Nationalrats besprochen. Der Gewerbeverein bleibt im Dialog mit allen Beteiligten und hofft, dass die Notwendigkeit eines solchen Rechtsstatus in Zukunft anerkannt wird.

In der Zwischenzeit kündigt James Gentizon, Präsident von Innergia, an, dass die Befürworter des Projekts daran arbeiten werden, "einen breiteren Konsens unter den Wirtschaftsverbänden und politischen Vertretern aufzubauen".

Parallel dazu arbeitet der Bundesrat an einer Änderung des Obligationenrechts, um die Transparenzregeln zu verschärfen. Nach den laufenden Projekten könnten etwa 3.500 Unternehmen verpflichtet werden, über die Risiken im Zusammenhang mit ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Umwelt, Menschenrechte und Korruption zu berichten.

Die Debatte veranschaulicht die Herausforderungen, denen sich Schweizer KMU stellen müssen, um sich an neue Nachhaltigkeitsanforderungen anzupassen und gleichzeitig auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig zu bleiben. Sophie Michaud Gigon betont, wie wichtig es ist, die Marktdynamiken zu berücksichtigen, denen Schweizer Unternehmen ausgesetzt sind.
 

Über die Allianz der Nachhaltigen Unternehmen:

Die Allianz für Nachhaltige Unternehmen ist eine proaktive Koalition von Mitgliedern wie Swiss Leaders, Der Gewerbeverein, GWÖ Schweiz, öbu, der Global Reporting Initiative, der Ethos-Stiftung und wird von der B Lab Schweiz Stiftung koordiniert.
 

Weiterführende Informationen

  • Pa. Iv. 23 454 "Einführung eines freiwilligen Rechtsstatus "Nachhaltiges Unternehmen" für Schweizer KMU" (Link)
  • Antwort der Allianz auf das Schreiben von economiesuisse und dem Gewerbeverband (Link)
  • Medienmitteilung Der Gewerbeverein (Link)
  • Medienmitteilung Allanz für Nachhaltige Unternehmen (Link)
  • Website Allianz für nachhaltige Unternehmen (Link)