Die ökologische Kreislaufwirtschaft

Das dem Nationalrat vorgelegte Gesetz über die Kreislaufwirtschaft ist nur ein notwendiger, aber bescheidener erster Schritt hin zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft innerhalb der planetarischen Grenzen.
Der Gewerbeverein fordert die ökologische Kreislaufwirtschaft als einziger Weg zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaft innerhalb der planetaren Grenzen
- Nur die Kreislaufwirtschaft, die sich an den Grenzen der Ökosysteme und der Kreisläufe orientiert, löst langfristig unser globales und regionales Problem – innerhalb der planetaren Grenzen eine menschenwürdige Zukunft für alle sicherzustellen.
- Auch das “grüne Wirtschaftswachstum” führt immer weiter zur Übernutzung der Ökosysteme und zur Zerstörung der Lebensräume.
- Die “ökologische Kreislaufwirtschaft” richtet sich streng an den ökologischen Eckwerten aus und akzeptiert sie als bestimmende Grenzen.
- Ökologische Grenzen führen in vielen Fällen zu Verboten oder zu Knappheiten, die mit üblichen Marktmodellen nicht sozial verträglich beherrscht werden können.
- Der Klimaschutz hat für die “ökologische Kreislaufwirtschaft” höchste Priorität.
- Heute sind aber noch weitere acht globale und regionale ökologische Dimensionen bekannt, bei denen die Wirtschaft mit ökologischen Grenzen konfrontiert werden muss.vgl. Bild 1
Unsere Motivation
Die «Kreislaufwirtschaft», wie sie langsam von immer breiteren Kreisen gefordert wird, ist bei weitem nicht ausreichend, um unser grösstes globales Problem zu lösen: der langfristige Erhalt der globalen und regionalen Ökosysteme und ihrer Lebensgemeinschaften, ohne dass ganze Arten und Ökosysteme ausgelöscht werden. Denn das Leben auf unserem Planet wird nicht nur durch die Klimaerwärmung bedroht, sondern auch durch die nachhaltigen Veränderungen anderer lebenswichtiger Ökosysteme und anthropogene Belastungsfaktoren.
Die Wirtschaftsform, die sich innerhalb dieser planetaren Grenzen entwickeln will und darum das Primat der ökologischen Systemgrenzen akzeptiert, nennen wir “ökologischen Kreislaufwirtschaft”.
10 Grundsätze zur ökologischen Kreislaufwirtschaft
Die Ökologie setzt die Grenzen
Die Wirtschaft muss im Gleichgewicht mit den natürlichen Kreisläufen sein und die Grenzen der jeweiligen Ökosysteme respektieren und einhalten – lokal, regional und global. Nur so können wir für die ganze Menschheit ein menschenwürdiges Leben sicherstellen. Aber heute halten wir verschiedenste globale und regionale Grenzen nicht ein. Die drastische Abnahme der Biodiversität in allen Regionen der Welt ist ein starker Indikator. Und allein mit dem Schliessen der Stoffkreisläufe erreichen wir das Gleichgewicht mit den ökologischen Kreisläufen und ihren Belastungsgrenzen sicher nicht.
Die Wirtschaft muss diese Grenzen zwingend akzeptieren
Die ökologische Kreislaufwirtschaft orientiert sich an den natürlichen Kreisläufen und an den Belastungsgrenzen der einzelnen Ökosysteme, und hält diese zwingend ein..
Nicht der Rohstoff-Konsum sondern die «Ökotoxizitäten» der Emissionen und Abfälle und die Zerstörung der Lebensräume sind in der Regel die kritischen Faktoren (lokal, regional, global), die die “ökologische Kreislaufwirtschaft” begrenzen und steuern will. Denn die geochemischen Rohstoffe (Metalle, Kohle, Öl, etc.) werden noch sehr lange ausreichen - man muss nur nach ihnen suchen. Die massive Überdüngung unserer Gewässer mit Waschmittelphosphaten oder die Zerstörung der Ozonschicht durch FCKW sind zwei historische Beispiele für die Nichteinhaltungen der ökologischen Grenzen. Dank Verboten von kritischen Stoffen (Phosphate (1984), FCKW (1996)) und dank der Realisierung von erfolgreichen Innovationen konnten die betroffenen Ökosystemen wieder stabilisiert werden.1
1 Es muss allerdings festgehalten werden, dass die FCKW-Ersatzstoffe immer noch ein gewisse ozonabbauende Wirkung erzielen und vorallem starke Treibhausgase sind. Ihr Anteil an der THG-Wirkung wird im besten Fall bei ca. 20% verbleiben werden. (https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2015/09/fckw-ersatzstoffe-gefaehrden-das-klima.html)
Die Ökologie bestimmt die Belastungsgrenzen und den Zeitplan für jedes Ökosystem
Bestimmte Belastungs-Grenzen und bestimmte Zeitpunkte - die sogenannten Kipp-Punkte - dürfen nicht überschritten werden, ohne dass die Schäden den Nutzen massiv übertreffen – auch weil sie – in menschlichen Zeiträumen - nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Es gilt darum, die irreversiblen Schäden unbedingt zu vermeiden. Das 1,5° Klimaziel - verbunden mit einem maximalen CO2-Restbudget - ist die aktuell dringendste und bekannteste Belastungsgrenze. Andere Belastungsgrenzen können wir bald festlegen, wenn die Wissenschaft endlich die notwendigen Daten und Erkenntnisse liefern wird.
Die ökologischen Grenzen fordern die Umgestaltung von Teilen der Volkswirtschaft
Diese ökologischen Grenzen führen zur bewussten Umgestaltung von Teilen der Volkswirtschaft. Meist werden diese Umgestaltungen unter beachtlichem Zeitdruck realisiert werden müssen, denn mit der Natur ist nicht zu verhandeln.
Dies verlangt einen engen Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Bevölkerung und Politik. Besonders die Bevölkerung ist gefordert und gefährdet – durch den forcierten Strukturwandel (Umschulung/ Einkommensverluste) und die möglichen unsozialen Preisentwicklungen. Eine erfolgreiche ökologische Kreislaufwirtschaft ist darum immer auch eine sehr sozial bewusste Wirtschaft, die in einer lebendige Demokratie eingebettet sein sollte.
Die Gesellschaft muss der Wirtschaft ökologisch bändigen
Die Gesellschaft muss in den Bereichen des ökologisch induzierten Wandels der Wirtschaft präzise sagen, was nicht mehr getan werden darf und was neu getan werden muss – weil die ökologischen Grenzen dies uns vorgeben (in Qualität, Quantität und Zeit). Der «Markt» alleine wäre selbst mit den richtigen Marktsignalen zu langsam, um diesen Umbau richtig, rechtzeitig und sozialverträglich zu gestalten.. Wir müssen in den betroffenen Sektoren die Transformation von der wachstumsabhängigen industriellen Marktwirtschaft zur innovativen, ökologischen, sozialen Kreislaufwirtschaft rechtzeitig schaffen. Wir müssen die kapitalistische Marktwirtschaft ökologisch bändigen und global-sozial zähmen. Anders werden wir diese Ziele nie erreichen.
Wirtschaftspolitik ist zwangsläufig immer auch ökologische Kreislauf-Wirtschaftspolitik - ob wir wollen oder nicht
Wirtschaftspolitik hat immer auch Auswirkungen auf die ökologischen Kreisläufe und die Belastung der Ökosysteme - ist darum so oder so auch eine ökologische Kreislauf-Wirtschafts-Politik sein. Meist eine negative. So subventioniert die aktuelle Schweizer (Wirtschafts)Politik heute mit rund 40 Mia/Jahr wirtschaftliche Prozesse, die ganz oder teilweise die Biodiversität zerstören. Darum müssen wir alle wirtschaftspolitischen Massnahmen ab sofort auch aus der Perspektive der “ökologischen Kreislaufwirtschaft” kritisch hinterfragen. In der Energiepolitik z.B. dürfen nicht wieder gleiche Fehler gemacht und weiterhin Zeit und Ressourcen verschwendet werden. Es dürfen z.B: keine weiteren Investitionen in fossile Infrastruktur getätigt werden.
Die ökologischen Grenzen führen auch z.T. zu Knappheiten
Die Einhaltung ökologischer Grenzen führt oft auch zu Knappheiten an Gütern und Lebensräumen. Diese sozial und wirtschaftlich gerecht und innovationsfreundlich zu verteilen, ist nicht leicht, denn die aktuelle Wirtschaftspolitik hat keine Lösungen dafür. In der klassischen Marktwirtschaft führt Knappheit immer zu massiven Preissteigerungen und sozial ungerechten Verteilung. Das führt gerade bei lebensnotwendigen Gütern zu grossen sozialen und wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten und Sinnwidrigkeiten. Eine ökologische Kreislaufwirtschaft muss darum im Kern auch eine soziale Wirtschaft sein. Dafür müssen Instrumente zur intelligenten gerechten Verteilung knapper Güter entwickelt und eingesetzt werden.
Der Klimaschutz ist die dringendste Aufgabe der “ökologischen Kreislaufwirtschaft”
Die klare Begrenzung des Treibhausgas-Gehalts ist aktuell die wichtigste und dringendste Hauptaufgabe der “ökologischen Kreislaufwirtschaft”. Denn die Emissionen der Treibhausgase müssen spätestens bis 2050 auf Netto-Null abgesenkt und die globale Klimaerwärmung auf 1,5° C begrenzt werden. Um diese Ziele zu erreichen, sind alle Instrumente der “ökologischen Kreislaufwirtschaftspolitik" erforderlich.
Die Schweiz als sehr reiches, stark CO2-emittierendes und stark betroffenes Land muss dieses Ziel deutlich früher (2040) erreichen, damit sie ihr THG-Budget für das 1,5°-Ziel einhalten kann. Dazu bedarf es vor allem auch Technologien, die die Ressourcen effizient nutzen, die natürlichen Kreisläufe nutzen (z.B: PV und Wind) und solche die sie schützen (z.B: Wärmepumpen, Batterien, Synfuel, CCS, Biomasse...).
Die Schliessung der Material-Kreisläufe ist ein wichtiger erster Schritt in Richtung “ökologischer Kreislaufwirtschaft”
Die Reduktion des Rohstoffverbrauchs ist natürlich in der aktuellen Kreislauf-Wirtschafts-Politik sehr wichtig, denn sie reduziert meist vielfältigste Umweltbelastungen und Lebensaumzerstörungen. Aber der alleinige Fokus auf das Schliessen von Materialkreisläufe greift viel zu kurz. Er verstellt den Blick auf die fundamentalen Herausforderungen der “ökologischen Kreislaufwirtschaft”: durch Begrenzung der ökotoxikologischen Belastungen und den Schutz der Lebensräume das Klima zu schützen und die 8 weiteren ökologischen Belastungsdimensionen einzuhalten. (vgl. Bild 1)
Die Wissenschaft muss für alle 9 sensitive Sektoren global und regional verpflichtende ökologische Grenzen definieren
Gemäss den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen müssen wir nicht nur das Klima sondern auch die anderen 8 weiteren «Ökosystemgrenzen» viel besser schützen, weil wir sie schon heute deutlich übernutzen. Bei vielen lokalen Aktivitäten (z.B: Bergbau) und Ökosystemen (z.B: Seen, Flüsse, Meeresufer) sind die ökologischen Grenzen bekannt, werden aber oft nicht eingehalten. Bei den globalen Ökosystemen werden weitere wissenschaftlich fundierte globale Analysen und globale Belastungsmodelle es erlauben - ähnlich wie bei den Treibhausgasen – Schritt für Schritt präzisere Grenzen für die Belastungen zu definieren und politisch umzusetzen.

Bild 1: Aktueller Stand der Kontrollvariablen für sieben der planetarischen Grenzen
Die grüne Zone ist der sichere Betriebsbereich, die schraffierte Zone stellt die Zone der Unsicherheit (zunehmendes Risiko) dar, und die braune Zone ist eine Hochrisikozone. Die planetarische Grenze selbst liegt im Schnittpunkt der grünen und schraffierten Zone. Die Kontrollvariablen wurden für den Unsicherheitsbereich normalisiert; die Mitte der Abbildung stellt daher keine Werte von 0 für die Kontrollvariablen dar. Die für den Klimawandel dargestellte Kontrollvariable ist die atmosphärische CO2-Konzentration. Prozesse, für die die Grenzen auf globaler Ebene noch nicht quantifiziert werden können, sind durch graue Keile dargestellt; dabei handelt es sich um die atmosphärische Aerosolbelastung, neuartige Entitäten (Chemikalien) und die funktionelle Rolle der biosphärischen Integrität.
Bibliographie
Für die Beschreibung der planetaren Grenzen stützen wir uns im Wesentlichen auf die folgenden Arbeiten:
Outside the Safe Operating Space of the Planetary Boundary for Novel Entities: Linn Persson, Bethanie M. Carney Almroth, Christopher D. Collins, Sarah Cornell, Cynthia A. de Wit, Miriam L. Diamond, Peter Fantke, Martin Hassellöv, Matthew MacLeod, Morten W. Ryberg, Peter Søgaard Jørgensen, Patricia Villarrubia-Gómez, Zhanyun Wang, and Michael Zwicky Hauschild, Environmental Science & Technology, 2022, 56 (3), 1510-1521.
Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet, Will Steffen, Katherine Richardson, Johan Pockström, Sarah E.Cornell, Ingo Fetzer, Elena M. Bennet, Reinette Biggs, Stephen R. Carpenter, Wim de Vries, Sverker Sörlin et.al. SCIENCE, 15 Jan 2015, Vol 347, Issue 6223.