21. Januar 2021

Aufruf «Keine Ausschaffung von Geflüchteten mit laufendem Lehrvertrag»

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«Der Gewerbeverein» ruft den Bundesrat und die zuständigen Behörden dazu auf, auf die Ausschaffung von asylsuchenden Lernenden mit einem negativen Asylentscheid zu verzichten, bis sie ihre Ausbildung beendet haben. 

Letzte Woche haben verschiedene Medien darüber berichtet, dass ein junger Mann aus Afghanistan nach einem negativen Asylentscheid aus der Schweiz ausgeschafft werden soll. Der junge Mann hat einen laufenden Lehrvertrag, seine schulischen Leistungen sind überdurchschnittlich gut und er besuchte zusätzliche Deutschkurse. Dieser junge Mann erfüllt also alle Erwartungen, welche die Schweiz an jemanden zu einer gelungenen Integration stellt. Und dennoch soll er nun ausgeschafft werden!

Dies ist kein Einzelfall. Es gelangten in letzter Zeit mehrere Unternehmen mit dem gleichen Anliegen an uns. Deswegen ruft «Der Gewerbeverein» den Bundesrat und die Behörden dazu auf, auf die Ausschaffung von asylsuchenden Lernenden mit einem negativen Asylentscheid zu verzichten, bis sie ihre Ausbildung beendet haben. Wer sich um eine Lehrstelle bemüht hat, soll diese Lehre auch beenden dürfen. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass sich Integrationsbemühungen auf die Beurteilung des Gesuchs nicht positiv auswirken. Schliesslich ist es auch im Interesse der Schweiz, Anreize zu setzen, damit sich Geflüchtete um eine umfassende Integration bemühen. Was es braucht, sind gut integrierte Menschen, die ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten und der Schweiz unter anderem helfen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Stattdessen erzwingen die Behörden nun aber ungerechtfertigte Lehrabbrüche.

Dieser erzwungene Lehrabbruch ist nicht nur für den jungen Geflüchteten ein schwerer Schlag, sondern auch für seinen Lehrbetrieb. Damit verliert der Betrieb einen motivierten Lernenden und eine Arbeitskraft. Auch unter diesem Aspekt ist die gängige Praxis kontraproduktiv. Es ist unbestritten, dass eine gelungene Integration oft über den erfolgreichen Einstieg ins Berufsleben führt. Hierfür ist die Schweiz darauf angewiesen, dass es genügend Betriebe gibt, die jungen Geflüchteten diese Möglichkeit bieten. Die Berufslehre beenden zu können würde gewährleisten, dass betroffene Lehrbetriebe und KMU, die in die Ausbildung der Lehrlinge investiert haben und so ihren Beitrag zur Integration von Lernenden leisten wollten, mehr Planungssicherheit haben und nicht von einem Moment auf den anderen auf eine motivierte und bereits eingearbeitete Arbeitskraft verzichten müssen.

Verschärfend kommt hinzu, dass in der Schweiz in zahlreichen handwerklichen Berufen aktuell ein starker Fachkräftemangel herrscht. Anstatt den um Integration bemühten Geflüchteten zusätzlich Steine in den Weg zu legen, sollte die Schweiz vielmehr die Chance von zusätzlichen jungen und motivierten Lernenden packen. Das hat mittlerweile auch das Parlament erkannt und befasst sich aktuell mit verschiedenen Vorstössen, die fordern, dass asylsuchende Lehrlinge mit einem negativen Asylentscheid ihre Ausbildung künftig beenden dürfen. Wir fordern den Bundesrat daher auf, diesem Entscheid auf Bundesebene nicht vorzugreifen und auf die Ausschaffung von asylsuchenden Lernenden bis zur Beendigung ihrer Lehre zu verzichten. 

 

WEITERE INFORMATIONEN

  • Beitrag von Radio RaBe (Podcast hören)
  • Artikel in der NZZ am Sonntag vom 31.1.21 (pdf)