Frederike Asael: «Mut ist trainierbar!»
von Brigitte Marti
Im Impact Hub kommen Menschen aus allen Branchen zusammen, um sich zu vernetzen, um voneinander zu lernen, um zu arbeiten und sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln - im Kern geht es darum, wie wir wertebasiert wirtschaften können. Frederike hat dort unter anderem das Programm "Girls Getting Started" ins Leben gerufen, um junge Frauen ans Unternehmertum heran zu führen.
Frederike, bist du ein mutiger Mensch?
Ja, das würde ich wohl von mir sagen. Mut heisst für mich, ins Unbekannte aufzubrechen, meine eigenen und inneren Hürden wahrzunehmen, darauf zuzugehen und zu überwinden - wie beim Hürdenlauf. Hürden überwinden tue ich regelmässig.
Ist es schwierig, mutig zu sein?
Es ist nicht schwierig, aber es braucht Überwindung. Für mich ist Mut wie ein Muskel, den wir trainieren können. Dann wird er immer stärker, und wir können Berge versetzen. Dasselbe gilt umgekehrt. Wenn wir uns nicht immer wieder ein Herz fassen und Neues wagen, trauen wir uns selbst immer weniger zu. Für mich steht fest, dass wir alle viel mehr sind und können, als wir aktuell denken.
Ist Mut männlich?
Mut hat kein Geschlecht. Es gab und gibt mutige Menschen aller Couleurs, aller Backgrounds. Mut muss auch nicht heissen, die ganze Welt zu verändern. Es kann eine einfache Entscheidung sein, eine Gewohnheit ab heute zu ändern und dann kleine Schritte in diese Richtung zu tun.
Kann mensch Mut lernen/trainieren?
Unbedingt, wir können heute loslegen. Dabei hilft, wenn wir verstehen, wie wir ticken: Alles, was neu ist, macht uns potentiell Angst, das ist ein biologischer Fakt. Je häufiger wir uns überwinden, desto länger wird der Weg, der bereits hinter uns liegt. Desto grösser wird unser Wirkungsraum und umso mehr trauen wir uns zu.
Braucht es Mut, Unternehmerin zu werden?
Meist steht am Anfang eines Weges zur Unternehmernehmerin ein Wunsch nach Veränderung im eigenen Leben. Das löst meistens auch Ängste aus. Schliesslich heisst unternehmerisch tätig zu sein auch, sichtbar zu werden, und zwar mit allen “Chnörzen” - und das ist uns meistens unangenehm. Das heisst, ja, es braucht Mut.
Aber ich möchte auch ergänzen: Für mich ist es eine Reise des inneren Wachstums. Ich wäre nie der Mensch geworden, der ich heute bin, wenn ich diese Reise nicht angetreten hätte - und die Reise geht täglich weiter. Daher sage ich: nur Mut! Du bist nicht alleine - sondern mit dir sind ganz viele auf der Reise.. Und im Austausch mit ihnen kannst du Mut und Inspiration tanken, gemeinsame Projekte verwirklichen und über dich hinauswachsen.
Wo brauchst du in deinem unternehmerischen Alltag Mut?
Wenn ich vor Leute hinstehe, wenn ich um Hilfe frage oder unsere Leistungen verkaufe - überall dort, wo ich mich exponiere. Allerdings ist das auch eine grosse Chance für mich, zu wachsen. Für viele von uns - ob Frauen oder Männer - braucht das Überwindung, und dazu gehöre ich auch.
Die Statistiken zeigen, dass es viel weniger Unternehmerinnen als Unternehmer gibt. Warum fehlt den Frauen den Mut, sich selbständig zu machen?
Laut den Erhebungen gibt es dafür unterschiedliche Gründe. Vereinfacht gesagt braucht es deutlich mehr Vorbilder, die in den Medien sichtbar sind, denn “if you can see it, you can be it”. Und ja, leider trauen sich Frauen im Durchschnitt weniger zu. Selbstständigkeit und Unternehmertum braucht ein Skillset, das man lernen kann und muss. Ich kenne niemanden, dem es in die Wiege gelegt wurde. Es ist also ganz normal, dass man erstmal eingeschüchtert ist. Und hier sind dann Männer oft einfach pragmatischer und legen mal los, während Frauen meinen, sie müssen schon alles können. Es gibt übrigens jede Menge Anlaufstellen, um Kontakte zu knüpfen und sich auf den Weg zu machen.
Wie können wir (junge) Frauen ermutigen, unternehmerisch tätig zu werden/sich selbständig zu machen?
Wir arbeiten bei unserem Programm “Girls Getting Started” stark mit einem niederschwelligen Ansatz: Junge Frauen sollen spannende Unternehmerinnen kennen lernen, untereinander Kontakte knüpfen können, die Arbeitswelt 4.0 kennen lernen können.
Wir thematisieren aber auch stets die “inneren Hürden”, die nicht sichtbar sind. Wir machen klar: das ist völlig normal, und es gibt Methoden, die zu überwinden. Girls Getting Started ist übrigens eine Event-Serie, aktuell in Bern, und wir starten Ende April 2022 mit der aktuellen Staffel.
Du bist ja auch Business-Fotografin. Welchen Zusammenhang gibt es für dich zwischen Fotografie und Mut machen?
Die meisten Menschen werden nicht sonderlich gerne fotografiert, auch weil es empfindlich unser Selbstbild betrifft. Wenn es mir gelingt, einen Menschen so abzubilden, dass er sich selbst sein kann und sich dann auch noch gefällt, dann habe ich mein Ziel erreicht.
Es braucht Mut, die eigene Meinung zu sagen. Es braucht Mut, hinzustehen. Es braucht Mut, sich selbst zu sein. - Diese und weitere Sätze sind weit verbreitet. Braucht es aber wirklich Mut - oder nicht eher ein anderer gesellschaftlicher Umgang damit, startend von einer anderen Erziehungsform?
Die Erziehung hat auf jeden Fall einen grossen Einfluss. Im Berufsleben steht und fällt es mit dem Umfeld: Welche Gesprächskultur haben wir, wie sicher fühle ich mich, meine Meinung zu sagen?
Gibt es wohl einen Grund, warum Mut auch die ersten drei Buchstaben vom Wort Mutter sind?
Mutige, vorausgehende Frauen sind für unsere Familien und Gesellschaft sehr wichtig. Das heisst nicht, immer stark zu sein oder “alles zu wuppen” - sondern auch Grenzen setzen oder im Alltagschaos “Stopp” sagen zu können.
Wir brauchen aber ebenso wie Väter und Männer, welche ein nuanciertes Bild von Männlichkeit leben, ihre Gefühle wahrnehmen und ausdrücken können. Das ist für mich ein wichtiger Aspekt von einem mutigen Leben. Schlussendlich können wir unseren Kindern vorleben, dass wir nicht alles wissen und können, aber jeden Tag versuchen, unser Mögliches zu tun.
Warum fehlt es der Politik an Mut, Frauen und Unternehmerinnen zu stärken?
Unternehmertum heisst in allererster Linie, zu tun - und nicht abzuwarten, bis etwas passiert, zum Beispiel in der Politik. Es gibt in der Schweiz eine sehr gute Förderlandschaft. Und es gibt jede Menge Menschen, welche den Weg schon gegangen sind, die man um Rat fragen kann.
Möchtest du noch ein mutiges und/oder mutwilliges Schlusswort machen?
Wir leben in einer herausfordernden Zeit. Und wir alle haben verschiedene Skills und Erfahrungen, um etwas beizutragen. Es muss nicht jede und jeder Unternehmer:in sein - für mich startet alles damit, sich selbst kennen zu lernen. Und dann, zum Beispiel im Austausch mit anderen herauszufinden, wo mein “Sweet Spot” ist. Wo kann ich mich einbringen, kann mich selbst sein und Sinnhaftes beitragen? Das kann als Mami sein, als Gärtnerin, als Kindergärtnerin, als Bankerin oder als Unternehmerin. Oder ganz anders. Es bleibt spannend!
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Mehr Informationen
- Impact Hub Bern: bern.impacthub.net
- Frederike Asael: asael.ch
- Girls Getting Started: girlsgettingstarted.ch